Maßnahmen definieren und priorisieren
Aus den vorherigen Phasen ist bekannt, welche technischen Lösungen am Markt verfügbar sind, welche Gesamtvision hinter Industrie 4.0 steckt und wie der IST-Stand im Unternehmen auf dem Acatech Reifegradmodell zu verorten ist. Daraus ergeben sich auch direkt die ersten Ideen für sinnvolle Maßnahmen und deren Reihenfolge (Unterteilung in Definition von Maßnahmen und deren Bewertung).
Maßnahmen definieren
Auf den Reifegrad bezogen befinden sich viele Unternehmen noch auf der Stufe 1 (Computerisierung), die durch isolierten Einsatz von Informationstechnologien (IT), mangelnder Vernetzung zwischen Informationssystemen (IS) und manueller Übertragung von Daten zu den Maschinen und zurück geprägt ist.

Um auf die nächste Stufe zu gelangen (Konnektivität) müssen folgende Zustände erreicht werden (siehe Acatech Studie).
Ziel ist es, Medienbrüche zu vermeiden (z.B. wegen papier-basierter Fertigungsaufträge) und eine digitale Übersicht über gerade laufende Produktionsschritte, Auftragsstatus und Maschinenzustände zu bekommen, die maximal ein paar Minuten hinter der physischen Realität zurück ist. Darüber hinaus müssen bestehende Lücken auf der unteren Ebene adressiert werden (z.B. ungenutzte Netzwerkanbindung von Maschinen, rudimentäre Nutzung des ERP-Systems). Schließlich sollten auch punktuelle Maßnahmen höherer Ebenen identifiziert werden, die unmittelbar durchführbar sind (alle Vorbedingungen erfüllt) und hohen Nutzen stiften.
- 1. Vernetzte Informationssysteme, die Kerngeschäftsprozesse abbilden
- 2. Teile der Produktionstechnologien haben Schnittstellen zur Business IT
- 3. Kommunikation zwischen Geräten in der Produktion überwiegend mit IP
- 4. Einsatz eines Manufacturing Execution Systems (MES)
- 5. Punktuelle Nachrüstung bestehender Maschinen mit Sensorik (Retrofitting)
Maßnahmen priorisieren
Dafür kann eine Prioritätenmatrix wie in Abbildung 1 genutzt werden. Die möglichen und sinnvollen Maßnahmen werden darin nach ihrem Nutzen und ihrer Komplexität gelistet, die sich typischerweise im Arbeitsaufwand niederschlägt. Die berühmten „quick wins“ oder „low hanging fruits“, bei denen mit wenig Aufwand eine große Verbesserung erzielt werden kann, sollten auf jeden Fall schnell angegangen werden.
Man muss jedoch immer bedenken, ob alle Voraussetzungen für den Start der Maßnahme erfüllt sind, bevor man sie in einen zeitlichen Korridor einsortiert. So macht es keinen Sinn eine Analysesoftware einzuführen, wenn die Datenbasis noch dünn und über viele Datentöpfe verstreut ist. Auch ein MES, das mit einem kaum genutzten ERP-System zusammenspielen soll, kann seine Stärken nur begrenzt ausspielen. Die Verfügbarkeit von Personal (intern/extern) sowie Hardwareressourcen (z.B. Serverkapazitäten) für die Umsetzung muss ebenfalls berücksichtig werden.
Für die Einordnung der Maßnahmen muss auch mit einbezogen werden, dass die Aufwände je nach Variante (cloud-basiert / selbst-gehostet; Standardprodukt mit Customizing oder Eigenentwicklung basierend auf bestehender Open Source Software) sehr unterschiedlich ausfallen können. In jedem Fall sollten aber die Aufwände für die Gesamtlösung verglichen werden. Bei Cloud-basierten Lösungen sind teilweise die monatlichen Kosten relativ attraktiv im Vergleich zu hohem Initialaufwand bei selbst betriebener Software.

Abbildung 1: Aufwand/Nutzen Matrix für Priorisierung
Die Integration in die bestehende IT-Infrastruktur ist dafür bei Cloud-Systemen regelmäßig deutlich aufwändiger als bei in-house Lösungen und deren Preise nicht aus der Standard-Preisliste der Cloud-Anbieter ablesbar.
Für die Priorisierung müssen auch Abhängigkeiten zwischen einzelnen Teilprojekten berücksichtigt werden, sei es personeller Art (selbe Person kann nicht alles gleichzeitig machen) oder auch bzgl. fehlender Voraussetzungen, z.B. kann das MES keine Maschinendaten sammeln, wenn diese weder unmittelbar noch mittelbar (mittels Gateways) Daten über IP-basierte Schnittstellen liefern.